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Freitag, 20. Juli 2012

Der arme Penis - ein Kommentar von Eser Polat


Aus gegebenem Anlass, mein Kommentar zu einer Facebook Diskussion zur Beschneidung:

Liebe Freunde,

wenn wir schon von Religionsfreiheit, Grundrechten, Grundwerten und der Abwägung der selben reden:

Als mit 7 Jahren (!) beschnittener Alevite stört mich mein verstümmelter, zwangsamputierter Krüppelpenis nicht!

Auch meine arme, traumatisierte, 34 jährige Kinderseele betrachte ich nicht als ein Thema, bei dem halb Deutschland so tun sollte, als ob es um das Seelenheil des Abendlandes geht. Schließlich verdient mein Psychiater eine goldene Nase mit mir.

Ich möchte in dieser Diskussion mal Ärzte, Psychiater und beschnittene Männer hören. Wo sind diese Stimmen?

Ich finde es außerordentlich perfide und geheuchelt, wenn diejenigen, die sich zu humanistischen Kinderfreunden aufspielen, jeden Tag Essensreste in den Müll schmeißen, Ihre Toilette mit Trinkwasser fluten, Ihre Alltagsgegenstände aus Rohstoffen produzieren lassen, die in den ärmsten Ländern der Welt abgebaut werden, während jeden Tag in diesen Ländern kleine Kinder u.a. wegen diesem Verhalten elendig VERRECKEN müssen!

Nicht vergessen möchte ich, dass wegen UNSEREM CO² Ausstoß, Inselstaaten im Pazifik zunehmend im Meer versinken. Aber den „Kinderfreunden“ in Deutschland scheint es egal zu sein, wenn kleine Kinder auf Tuvalu oder den Seychellen traumatisiert sind, weil WIR ihnen die Heimat rauben und vernichten.

Und um mich endgültig dem Vorwurf auszusetzen, dass ich Äpfel mit Birnen vergleichen würde, stelle ich die Kinderfreundlichkeit von deutschen Waffenlieferungen in Grundwertekompatible, deutsche Partnerstaaten wie Saudi-Arabien, Katar oder die Türkei zur Diskussion.

Die kleinen schiitischen Kinder in Bahrain, deren Väter bei Freiheitsdemonstrationen von katarischen Soldaten mit DEUTSCHEN Waffen erschossen wurden oder die kurdischen Kinder in der Türkei, deren Dörfer mit DEUTSCHEN Panzern leergeräumt wurden, sind garantiert NICHT traumatisiert und bedanken sich ganz sicher artig bei uns für unsere KINDERFREUNDLICHKEIT.

Wir könnten ja all diese von und durch Deutschland geschädigten Kinder bei uns aufnehmen. Dann wären sie auch vor Zwangsbeschneidungen und religiöser Indoktrination geschützt!

Fragt sich dann nur, was wir mit der Taufe machen? Schließlich hat Luther im „Kleinen Katechismus“ (1529) zur Taufe gesagt: „Es bedeutet, dass der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten.“

Weil ein kleines Kind ja so voll ist mit Sünden und vor allem „bösen Lüsten“!

Unsere lieben „Kinderfreunde“, die stets die religiöse Selbstbestimmung hochhalten, können den Kindern später im „religionsmündigen Alter“ mal erklären, dass sie als Kind „ersäuft“ wurden, weil sie voller Sünde und bösen Lüsten waren. GOTT hat es ja so gewollt.

Zu alledem höre ich in dieser Diskussion nichts! Das finde ich verlogen!

Es ist mehr als berechtigt, sinnvoll und richtig, dass uns dieses Thema in Deutschland beschäftigt. Lasst uns bitte weiterdiskutieren.

Aber das Ausmaß, die Dimension und die Intensität, die dieses Thema in der Öffentlichkeit beansprucht, steht in keinem Verhältnis mehr zu den anderen, wie ich finde ebenfalls sehr wichtigen Themen. Was mich stört, ist der Wahrheitsanspruch, mit dem viele in dieser Diskussion an das Thema herangehen.

Wer sich für dieses kleine Stückchen Haut derart interessiert und einsetzt, von dem erwarte ich auch Antworten auf die oben aufgeworfenen Fragen!

Es grüßen euch

Eser Polat und sein armer Penis

Zum Autor:  
Eser Polat ist Jurist und Mitglied im bayerischen FDP Landesvorstand.
 

11 Kommentare:

  1. Ein sehr peinlicher Kommentar aus der Kategorie "Hätte niemals das Tageslicht erblicken sollen".

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  2. Gut geschrieben. Ein Lichtblick in einer dunklen, verbissenen Debatte.
    Ich wünschte, mehr Menschen hätten soviel Vernunft. Danke!

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  3. Man kann die Aufregung verstehen. Allerdings ist die Selbstbestimmung des Kindes sein trotz all der Aufregung, trotz der natürlichen Tragweite, von größerer Bedeutung als ein Religionsverständnis bestimmter Menschen.

    Und an den Autor:
    Ja es gibt all diese Probleme, und ja die sind bei weitem schlimmer als die Vorhaut von paar Menschen, aber das Problem existiert nun mal und vernünftig betrachtet haben die Gegner der Kindsbeschneidung Recht.

    Kann der Autor denn sagen, dass er seine Vorhaut freiwillig entfernen ließ?

    Und gleichermaßen kann man die Frage stellen, wie der Autor über die Beschneidung von Frauen denkt, die es in bestimmten Religionen auch gibt.

    oder ganz fiktiv:
    Stellen sie sich doch mal vor, die Sekte XYZ, hat einen Religiösen brauch, Kindern eine Fingerkuppe abzuschneiden (auch ungefährlich ) wären sie dafür, dass das Kind durch die Handlungen der Eltern leiden muss?
    Wenn ja haben sie etwas einfach nicht verstanden.

    Es gilt ganz klar...egal welche Religion: Keine Religion steht über den Grundrechten eines Menschen.


    p.s.: bei der Taufe geht es nicht ums ertränken, und es wird niemand verletzt.
    Dennoch ist es ein Sinnloes Ritual was man weg lassen könnte, Wie eben die Beschneidung auch

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    1. Don't you know sarcasm?

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    2. Wie bei der Big Bang Theory - Sheldon, bin ich nicht in der Lage dazu, nein :D

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  4. Die Beschneidung von Frauen ist doch etwas völlig anderes! Auch ist der Vergleich mit dem Abschneiden der Fingerkuppe unfug. Wer die Beschneidung von Jungen, mit dem Abschneiden der Klitoris oder einer Fingekuppe vergleicht, DER hat etwas nicht verstanden!

    Die zu beschneidenden Jungen von heute sind die beschnittenen Männer von morgen. Und umgekehrt sind die beschnittenen Männer von heute, die einst zu beschneidenden Jungen von früher. Ich habe bei all den Millionen von beschnittenen Männern von heute keinen einzigen gehört - auch und insbesondere nicht in dieser Debatte - der seine damalige Beschneidung als Leid, Mißhandlung oder Mißbrauch durch seine Eltern erlebt hat. Ganz im Gegenteil, die meisten dieser Männer würden und werden ihre Söhne auch beschneiden.

    Hört also bitte auf, hier künstlich Opfer zu sehen, wo - in 99% der Fälle - keine Opfer sind.

    Ich gehe davon aus, dass der Autor zumindest keine negativen Erinnerungen an seine eigene Beschneidung hatte und deswegen einen wundervoll entspannten und bissigen Kommentar geschrieben hat. Danke und mehr davon!

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    1. Spricht etwas dagegen, dass das Kind es einfach entscheidet, wenn es soweit ist? (Volljaehrigkeit)?

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  5. Endlich mal einer, der es mit Humor nimmt! Ein Urteil, ein Sturmgewitter und einer, der über diese Deppen lacht. find ich gut!

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  6. Der Autor begrüßt doch keines Wegs die Beschneidung in seinem Text. Es geht ihm meiner Meinung nach viel mehr um die Doppelmoral der Deutschen! Nie eine Beschneidung erlebt, aber unbedingt darüber urteilen zu müssen, weil sich der Deutsche IMMER dazu verpflichtet fühlt zur "Menschlichkeit" oder "ethischen Werten" stehen zu müssen. Wie auch immer, ich finde der Artikel ist gut gelungen, aber leider wird er von den meisten Lesern hier falsch verstanden.

    Mich wundert es, dass die kinderunfreundliche deutsche Gesellschaft sich so plötzlich dazu berufen fühlt zu wissen, was für ein Kind gut oder schlecht ist.

    Und ob ihr es glaubt oder nicht, die Taufe meines Onkels, den ich nie kennen lernen konnte, weil er mit drei Jahren verstorben ist, ist ihm zum Verhängnis geworden. ;)

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  7. Was spricht dagegen, die Jungen das selbst entscheiden zu lassen?

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  8. Warum wird daraus eigentlich so ein riesen Thema gemacht? Solange die Beschneidung durch einen Facharzt durchgeführt wird, sehe ich persönlich keine Probleme. Als Atheistin mit alevitischen Wurzeln habe ich lange überlegt, ob ich meinen Sohn beschneiden lassen soll oder nicht. Der männliche Teil der ganzen Familie ist beschnitten, obwohl sie keine Moslems sind. Ich wollte einfach, dass mein Sohn in der Hinsicht auch nicht anders ist als der Rest der Familie. Bei der Kinderärztin ließ ich mich über die Vor- und Nachteile beraten. Die Ärztin (Christin) erklärte mir, dass es weder Vor- noch Nachteile haben würde. Sie empfahl uns einen guten Chirurgen und alles klappte prima. Ästhetisch perfekt und gesundheitlich keinerlei Probleme. In Deutschland mischt man sich zu sehr in Angelegenheiten anderer Kulturen ein. Man sollte die Leute mal auch in Ruhe lassen. Bei den Frauen ist es etwas anderes. Jedoch sollte man dabei differenzieren: Die Beschneidung der Jungs ist anders und ist meinen Augen keine Verstümmelung als die Beschneidung der Mädchen. Auch sollte man bedenken, dass es für die Sexpartnerin des Mannes schöner ist für die Frau, wenn der Mann beschnitten ist. Es ist halt viel ästhetischer, als wenn da noch die Vorhaut ist. ;)

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