AUSZÜGE aus den Schlussfolgerungen zu der Türkei:
Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte wurde weiter konsolidiert. Die Einführung der parlamentarischen Kontrolle über den Verteidigungshaushalt war eine positive Entwicklung, ihr Umfang blieb jedoch begrenzt.
Die Häufigkeit und Dauer der Untersuchungshaft gibt nach wie vor Anlass zu ernster Besorgnis.
Es bestehen Bedenken hinsichtlich der Unparteilichkeit bei der Behandlung von Korruptionsfällen.
Keine wesentlichen Fortschritte wurden bei der Bekämpfung des Menschenhandels erzielt.
Bei den Menschenrechten und beim Minderheitenschutz bedarf es erheblicher Anstrengungen in den meisten Bereichen, vor allem bei der Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit.
Es muss noch ein mit der Europäischen Menschenrechtskonvention übereinstimmender Rechtsrahmen geschaffen werden, der sicherstellt, dass die nicht-muslimischen Religionsgemeinschaften und die Gemeinschaft der Aleviten keinen ungebührlichen Beschränkungen unterworfen sind.
Auch wenn einige Fortschritte bei der Beachtung internationaler Menschenrechtsnormen verzeichnet wurden, stehen wesentliche Reformen zur Stärkung der Menschenrechtsstrukturen noch aus und die Anzahl der Strafverfahren gegen Menschenrechtler gibt Grund zur Sorge. Der Abwärtstrend bei Folter und Misshandlung in Haftanstalten hat sich fortgesetzt.
Was die Freiheit der Meinungsäußerung betrifft, so wurde infolge der Annahme des dritten Justizreformpakets eine Reihe von Journalisten aus der Untersuchungshaft entlassen, die Einschränkungen der Medienberichterstattung über strafrechtliche Ermittlungen wurden gelockert und die Beschlagnahme von Schriftstücken vor der Veröffentlichung wurde verboten. Allerdings gibt die Zunahme von Verletzungen der Freiheit der Meinungsäußerung Anlass zu großer Sorge und die Medienfreiheit wurde in der Praxis noch weiter eingeschränkt. Der Rechtsrahmen und seine Auslegung durch die Gerichte, vor allem in den Bereichen organisierte Kriminalität und Terrorismus, führen zu Missbrauch. Verbunden mit einer hohen Konzentration der Medien in Industriekonglomeraten mit Interessen, die weit über den freien Informations- und Gedankenaustausch hinausgehen, hat dies zu einer weit verbreiteten Selbstzensur geführt.
Was die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit betrifft, so verliefen die Kundgebungen zum 1. Mai und Veranstaltungen wie der Gedenktag des Völkermords an den Armeniern in friedlicher Atmosphäre friedlich, doch bei Demonstrationen, die nicht von den Behörden genehmigt waren, kam es zu Ausschreitungen und unverhältnismäßiger Anwendung von Gewalt durch die Sicherheitskräfte. Dies betraf vor allem, aber nicht ausschließlich Demonstrationen im Zusammenhang mit der kurdischen Frage. Das verfassungsmäßige Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird gelegentlich zu restriktiv ausgelegt.
Auf dem Gebiet der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit wurden begrenzte Fortschritte erzielt. Durch Anwendung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wurden einige Fortschritte bei der Behandlung der Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen verzeichnet. Der Dialog mit nichtmuslimischen Religionsgemeinschaften wurde fortgeführt. Personen, die sich zu Minderheitsreligionen oder aber zur Konfessionslosigkeit bekennen, waren jedoch weiterhin extremistischen Drohungen ausgesetzt. Es muss noch ein mit der Europäischen Menschenrechtskonvention übereinstimmender Rechtsrahmen geschaffen werden, der sicherstellt, dass die nicht-muslimischen Religionsgemeinschaften und die Gemeinschaft der Aleviten keinen ungebührlichen Beschränkungen unterworfen sind.
Bei der Bekämpfung der Diskriminierung müssen weitere Anstrengungen unternommen werden. Es fehlt an umfassenden Antidiskriminierungsvorschriften und die Regierung muss noch umfangreiche Bemühungen unternehmen, um benachteiligte Bevölkerungsgruppen, darunter Frauen, Kinder, Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender-Personen wirksam vor gesellschaftlicher Ächtung, Diskriminierung und Gewalt zu schützen.
Die Türkei verfolgt hinsichtlich der Minderheiten nach wie vor einen restriktiven Ansatz. Jedoch wurden erstmals Vertreter von Minderheiten, darunter auch solche, die nicht offiziell von der Türkei anerkannt werden, ins Parlament eingeladen, um ihre Meinung zu einer neuen Verfassung zu äußern.
Den GASP-Erklärungen hat sich die Türkei im Berichtszeitraum erneut seltener angeschlossen als in früheren Jahren. Keine Fortschritte wurden bei der Normalisierung der Beziehungen zu Armenien erreicht. Die diplomatischen Beziehungen zu Israel blieben heruntergestuft. Insgesamt sind die Vorbereitungen im Bereich der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik in einem mäßig fortgeschrittenen Stadium.
Schlussfolgerungen:
ec.europa.eu/enlargement/pdf/key_documents/2012/package/tr_conclusions_2012_de.pdf
Der ganze Bericht:
http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/key_documents/2012/package/tr_rapport_2012_en.pdf
Ein "Die Welt" Artikel:
http://www.welt.de/politik/ausland/article109691565/EU-faellt-hartes-Urteil-ueber-die-Tuerkei.html