Ein Gefühl der Wut und des absoluten Unverständnisses macht sich breit. Die Vergewaltigung von Frau Dalelv in Dubai ist eine Begnadigung dritter Klasse. Die Begnadigung ist (wahrscheinlich weil sie Ausländerin ist und international berichtet wurde) dem Grunde nach ein gutes Signal, es hat aber ein ganz übles Geschmäckle.
Eine Begnadigung ist immer eine Einzelfallentscheidung. Die Begnadigung einer Ausländerin wegen (erzwungenem) "Sex außerhalb der Ehe" ist ebenso wenig eine Seltenheit, so viel Unmut des Westens will das Moderne Dubai und die arabische Wirtschaftswelt dann nicht. Der Tourismus und die Wirtschaftsinteressen sind bestehende, übergeordnete Interesse. Sie wirken also, die wirtschaftlichen und moralischen Interessensgeflechte, wenn das Unrechtsbewusstsein der gesamten Weltöffentlichkeit aktiviert wurde. So hangelt man sich von Jahr zu Jahr, von Opfer zu Opfer, zum nächsten Einzelfall und medialen Aufschrei, wenn das Unrecht -am Einzelfall- greifbar ist.
Sie, Frau Dalelv, das Gewaltopfer und der Einzelfall, kann nach der Herabwürdigung durch die örtliche Justiz ausnahmsweise nach Hause, nach Norwegen. Der Weg nach Dubai, zu ihrem Arbeitgeber (der sie mal will, mal aber auch nicht) ist erstmal versperrt. Vielleicht für immer, weil ein Mann körperlich stärker war. Sie ist nun vorerst eine Straftäterin in den Augen des Staates Dubai. Was hat sie aber getan? Ihren Willen über ihren eigenen Körper durch Gewalt verloren, das Übliche und Schreckliche an einer Vergewaltigung. Den Behörden in Dubai fällt als Ausweg lediglich ein, die Strafvollstreckung auszusetzen. Die vom Gericht ausgesprochene Freiheitsstrafe ist und bleibt aber weiterhin real. D.h., der rechtswidrige Straftatbestand wurde von Frau Dalelv erfüllt, so sieht es die Gesetzeslage in Dubai.
Die Wirkung des Gesetzes ist aber auf genereller Ebene folgende: Frauen werden abgeschreckt nach der Strafverfolgung ihrer Täter zu suchen. Der Rechtsrahmen ist existent und wirkt von Tag zu Tag fort, es ist Unrecht, eine Vergewaltigungsfalle.
Was also mit den ganzen inländischen Frauen passiert, den Opfern die aus Scham schweigen, darüber gibt es sicherlich keine verlässlichen Polizeistatistiken. Folgende Fragen brennen nun aber in jedem Menschenrechtsfundamentalisten:
Welche Frau kann überhaupt den Mut aufbringen freiwillig ins Gefängnis zu gehen und sich wissentlich in staatliche Gefangenschaft begeben? Eine Frau, die in einer solchen Gesellschaft aufgewachsen ist und sich bestens mit den Rechtsgepflogenheiten auskennt, soll aufbegehren? Wo soll sie den Mut hernehmen? Dieses auch noch, nachdem der Sexualtäter eine psychische und damit lebenslängliche Strafe für das Opfer ausgewählt hat?
Finden Richter in Dubai und in der arabischen Welt den Mut Unrechtsgesetze, Gesetze die die Ungerechtigkeit erstreben, deren Ziel nicht mal die Gleichbehandlung der Geschlechter ist, nicht anzuwenden? Will die Judikative und Legislative nur den Machtanspruch der Männer, des Patriarchats zementieren?
Dieses alles mal abseits von tradierten Rollenbildern und religiösen Eiferern sich anzusehen und zu bewerten kann helfen. Das Unrecht des Rechtes ist beim erzwungenen Sex und die Bestrafung des Opfers dafür unbestreitbar der Fall.
Was machen wir gegen das Unrecht unserer Zeit? Welche Maßnahmen haben Dubai, Saudi-Arabien, etc., zu befürchten? Wir, dazu zählen insbesondere die Wirtschaftsakteure und Superreichen, sollten bereit sein, die bestehenden Interessensgeflechte zu nutzen. Das soll nicht heißen, dass man anderen Wirtschaftsmächten Platz machen muss. Wirksam und pointiert agieren, was gegen H&M und ihre Zulieferer in Bangladesch wirkt, kann für die arabische, die chinesische und indische Welt nicht verkehrt sein.
Der zeitweise zivile Ungehorsam, wirtschaftliche Boykott und laute Protest in der freien Welt ist adäquat und kann den wirtschaftlichen Fortschritt der Länder bewahren. Dabei den Frauen zu mehr Grundrechten und einem Mindestmaß an Achtungsanspruch zu verhelfen, ist ein ein sich lohnender Gegenwert.
"Du weißt, dass dir niemand glauben wird"
Die 24-Jährige aus Tønsberg hatte offenbar seit 2011 für eine Inneneinrichtungsfirma in Katar gearbeitet. Sie sei im März nach einer Feier in Dubai gemeinsam mit Kollegen auf dem Rückweg in ein Hotel gewesen, sagte sie der Boulevardzeitung "Verdens Gang". Sie sei angetrunken gewesen, ein männlicher Kollege habe sie in sein Hotelzimmer gezerrt, statt sie in ihr eigenes zu bringen. Dort soll es zu der Vergewaltigung gekommen sein. Als Dalelv den Übergriff bei der Polizei angezeigt habe, habe man ihr gesagt: "Du weißt, dass dir niemand glauben wird." Dann sei sie festgenommen worden.
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/dubai-begnadigt-vergewaltigte-norwegerin-marte-deborah-dalelv-a-912382.html
Dalelv wurde nach eigenen Angaben vier Tage festgehalten, nachdem sie des außerehelichen Geschlechtsverkehrs beschuldigt wurde -
ein Straftatbestand, der in den Vereinigten Arabischen Emiraten normalerweise nicht auf Touristen und Tausende in Dubai arbeitende westliche Ausländer angewandt wird.
http://www.welt.de/kultur/article118248299/Warum-wir-die-Helden-des-20-Juli-nicht-verstehen.html