Völkermorde sind keine Erfindung des 20. Jahrhunderts.
Bereits in der Antike wurden Genozide verübt, man denke an die Verwüstungen
durch das Assyrische Heer, die Zerstörung der Insel Milos während der
Peloponnesischen Kriege, Karthagos Eroberung durch die Römer und den ,,Bann“
der Hebräer an den Einwohnern Kanaans. Im Mittelalter weiterhin an die
Vernichtung ganzer mesopotamischer Städte durch Tamerlans Schergen, die
Zerstörung Zunghar Khanats durch die Qing-Dynastie sowie in bestimmten Fällen
an die Ausrottung einiger indigener Völker Nordamerikas. In der Neuzeit an das
Schicksal der Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika, den Holocaust der Nazis
sowie die gegenseitige Abschlachtung der Hutu und Tutsi in Burundi und Ruanda.
Der Völkermord an Armeniern im Osmanischen Reich während des ersten Weltkrieges
reiht sich also ein in die unrühmliche Liste der Genozide der
Menschheitsgeschichte.
Trotz ihrem wiederholten Vorkommen sind Völkermorde geistig
schwer zu verstehen. Der Gedanke an den Ablauf und die Vorgänge während eines
Völkermords lassen die meisten Menschen innerlich erschaudern. Der Mord an
einem ganzen Volk, das Töten unschuldiger Menschen, das Abschlachten aller
Männer und Frauen, von Greisen bis hin zu Neugeborenen und das Vergehen an
Schwangeren mitsamt ihrer Leibesfrucht hat einen gänzlich anderen Charakter als
die uns Menschen sonst so vertraute Gewaltbereitschaft unseres Geschlechts. Es
sind Momente grausamsten menschlichen Geistes; da werden Opfer unterschiedslos
erniedrigt und verspottet, auf allerlei Art und Weise gefoltert, Ihre Leiber
verstümmelt, und anschließend werden sie ermordet. Die Intuition einer
Einzigartigkeit des Völkermordes unter Verbrechen, lässt sie sich in Worte
fassen?