Die Jihadistengruppe Islamischer Staat
in Irak und Syrien (ISIS) hat letzte Woche in der Nordsyrischen
Provinz Rakka christlichen Einwohnern einen ,,Vertrag“ im Austausch
für ihren ,,Schutz“ diktiert. Fortan dürfen Christen ihren
Glauben nicht öffentlich leben, es wird Ihnen die im Koran
vorgeschriebene Dschizya auferlegt. Weiterhin werden sie im Gegensatz
zur muslimischen Bevölkerung entwaffnet und dürfen Feinde des
islamischen Regimes nicht unterstützen. Sollten sie den Vertrag
nicht eingehen, werden sie als Feinde behandelt. Dieser ,,Vertrag“
hat ein historisches Vorbild und ist im Umgang des Islam mit
Andersgläubigen fest verankert.
Hierbei bezeichnet Dhimmitum die
besondere Rechtsstellung vor allem der Juden und Christen unter
islamischer Herrschaft. Durch den Dschihad während arabischer oder
türkischer Eroberungskriege unter die islamische Herrschaft geraten,
sind die Angehörigen der ,,Buchreligionen“ und ihre Nachkommen
durch ,,Dhimma“ an den islamischen Staat gebunden. Das Wort
,,Dhimma“, wörtlich ,,Vertrag“ leitet sich vom ,,Dhamma“
,,Tadeln“ ab. Seine Entstehung geht auf den Umgang Mohammeds mit
besiegten jüdischen Stämmen auf der arabischen Halbinsel sowie
Offenbarungen aus dem Koran und der Hadithen zurück. Seine
rechtsverbindliche Formulierung fand der ,,Vertrag“ unter dem
Kalifen Umar I. (634-644), oder Umar II. (717-720). In Jemen blieb er
bis ins 20. Jahrhundert unverändert bestehen; im Osmanischen Reich
wurde er 1856 durch den Druck europäischer Mächte teilweise
abgeschafft, die geforderte Gleichheit aller Untertanen jedoch nie
umgesetzt. Der Geist des Dhimmitums, die rechtliche sowie
gesellschaftliche Erniedrigung der Nicht-Muslime in islamischen
Ländern blieb aber bis heute bestehen und kann wie der aktuelle Fall
zeigt, immer wieder neu eingeführt werden.
Welche Charakteristika weist nun das ,,Dhimma“ auf? Die Antwort ist vielschichtig: Die durch Dschihad eroberten Völker und ihre Nachkommen sollen zunächst die politische Herrschaft des Islam voll anerkennen. Sie können ihre bisherige Religion zwar weiter ausüben, aber nunmehr unter deutlichen Einschränkungen. Weiterhin werden sie neben der Entrichtung des ,,Dschizya“ zu mannigfaltigen erniedrigenden Vorschriften wie Kleidervorschriften unterworfen. Bei Widerstand droht Tod oder Versklavung.
Vielfach wurde die Institution des
,,Dhimma“ in Vergangenheit in Europa als Zeichen islamischer
Toleranz gedeutet, jedoch ist diese Interpretation bei näherer
Betrachtung nicht tragbar. Christen und Juden in eroberten Gebieten
sollen nicht auf Dauer toleriert, sondern schrittweise in den Islam
eingegliedert werden. Der Vertrag wirkte geschichtlich wie ein
langfristig wirksames Instrument zur Konversion ursprünglich
nicht-muslimischer Mehrheiten. Doch wie ist seine Wirkung zu
verstehen?
Das ,,Dhimma“ als Vertragsverhältnis
zwischen Nicht-Muslimen und dem Staat macht zunächst die Anerkennung
der islamischen Herrschaft öffentlich sichtbar. Die untergebenen
Christen und Juden akzeptieren den Sieg muslimischer Eroberer und
ihre Bedingungen an. Den Regeln des Dschihads entsprechend droht
ihnen bei Ablehnung ohne Weiteres der Tod oder Versklavung.
Demnach sollen Nicht-Muslime solange
bekämpft werden, bis sie ,,kleinlaut aus der Hand Tribut entrichten“
(Sure 9, 29). Die Dschizya darf deshalb nicht als normale
(Kopf)Steuer verstanden werden, sie impliziert eine Demütigung für
die Ablehnung des wahren Glaubens. Nach einigen Rechtsgelehrten muss
die Dschizya während einer öffentlichen demütigenden Zeremonie
bezahlt werden, in dem der Dhimmi auf den Kopf oder Nacken als Symbol
der Erniedrigung geschlagen wird. Diese Tradition wurde noch bis ins
20. Jahrhundert in Jemen und Marokko praktiziert.
Fortan obliegt die Ausübung der
christlichen oder jüdischen Religion strengen Einschränkungen.
Neubau und Restaurierung von Kirchen, Klöstern und Synagogen werden
generell verboten. Ausgenommen ist lediglich die Instandhaltung
sakraler Gebäude aus der Zeit vor muslimischen Eroberungen. Alle
Anzeichen öffentlicher Religionsausübung, ob Glockenläuten,
Kirchenkreuze, Ikonen oder öffentliche Begräbnisse werden
untersagt. Zwangsbekehrungen sind zwar nominell verboten, die
Geschichte lehrt jedoch Ausnahmen. Gesetzliche Zwangsislamisierung
jüdischer Waisenkinder in Maghreb oder die osmanische Knabenlese auf
dem Balkan sollen nur als Beispiele Erwähnung finden.
Christen und Juden werden im weiteren
Verlauf aus öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Ihre Ausgrenzung
geschieht einerseits aus machtpolitischen Gründen, andererseits
greift das islamisch-theologische Verbot, dass ein ,,Nicht-Gläubiger“
keine Autorität über einen Moslem ausüben darf. Weiterhin sind
Christen und Juden vom Militärdienst ausgeschlossen. Vielfach wurde
dies als Privileg der Nicht-Muslime dargestellt, in Wirklichkeit
jedoch sind Ungläubige Ziel militärischer Dienste und können
deshalb nicht ihr Träger sein. Das Tragen von Waffen wird, wie in
Verlautbarungen des ISIS deutlich wird, nur Moslems erlaubt.
Nicht-Muslime sollen entwaffnet und verwundbar bleiben.
In Rechtsstreitigkeiten gilt die
Aussage eines Nichtmuslims gegenüber einem Muslim als nichtig.
Ungläubige seien im Generellen lügnerisch und deshalb als Zeuge
nicht glaubhaft. Des Weiteren wendet das islamische Recht das Prinzip
der Wiedervergeltung an. Bei gleich schweren Vergehen wird jedoch das
Strafmaß halbiert, wenn das Opfer ein Nicht-Muslim ist. Todesstrafe
für einen Moslem ist hierbei ausgeschlossen. Weiterhin wird ein
Dhimmi, der es wagt seine Hand gegen einen Muslim zu heben, mit der
Amputation der Hand oder mit Tod bestraft. Eine Konsequenz dieser
Rechtsauffassung ist die ständige Erpressbarkeit der Dhimmis und ihr
Versuch, Richter und Zeugen ständig bestechen zu müssen, um zu
überleben. In Europa wurden in der Vergangenheit deshalb
orientalische Christen vielfach als korrupt und moralisch verkommen
dargestellt. Ihre höchst unsichere Lage nahm man nicht wahr.
Weiterhin obliegen Christen und Juden
nunmehr mannigfaltigen, nach Ort, Zeit und Situation flexibel
gestalteten Kleidervorschriften. In der Vergangenheit gab es
Vorschriften zu Form und Farbe der Bekleidung. Das Verbot für die
Maghreber Juden im Mittelalter Schuhe zu tragen, soll als Beispiel
besonderer Erniedrigung erwähnt werden. Zudem wird die äußere
Erscheinung des Dhimmi fremdbestimmt; so mussten Christen in der
Vergangenheit vielfach die Vorderseite ihres Kopfes rasieren.
Mancherorts war ihnen das Tragen von Glöckchen vorgeschrieben.
Wie ISIS betont, sollen Christen fortan
Muslimen mit Respekt begegnen. Ein Christ darf vor einem Muslim nur
in demütigender Haltung erscheinen und nur auf Anforderung und leise
sprechen. Bis ins 20. Jahrhundert mussten in vielen Gegenden
Nichtmuslime vom Esel absteigen, wenn sie einem Muslim begegneten.
Der Dhimmi durfte nur gesenkten Blickes zur Linken eines Muslimen
vorbeigehen; Muslimen wurde empfohlen sie beiseite zu stoßen.
Der ,,(Schutz-)Vertrag“ ist somit ein
vielschichtiges Instrument individueller und sozialer Erniedrigung der Christen und Juden unter islamischer Herrschaft. Er ist entwürdigend und auf Dauer entmenschlichend. Er ist Zeugnis einer
Herrschaftsmentalität gegenüber Anders-Gläubigen. Christen sollten
ihn nur bei äußerster Lebensgefahr und nur zeitweise eingehen, bis sie
schnellstens auswandern können oder sonstig Widerstand leisten. Ein
solches entwürdigendes Instrument anzunehmen bedeutet einen
dauernden Zustand der Unsicherheit des Leib und
Lebens, Verwundbarkeit, sowie höchster Erniedrigung bei Hilfs-, und Auswegslosigkeit. Ihre
psychischen Folgen bei orientalischen Christen sind gravierend.
Wir befinden uns nicht mehr im 7.
Jahrhundert. Wir werden ein solches Diktat gegenüber unseren
Glaubensgeschwistern nicht akzeptieren. Der Islam wird sein
Verhältnis zu Anders-gläubigen neu erfinden müssen.
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