Mittwoch, 12. März 2014

Brief des Zentralrats der Armenier in Deutschland e.V. (ZAD) an die Schweiz v. 04.03.2014







Urteil des EGMR v. 17.12.2013 Perincek ./. Schweiz  
     
                                                                                                                 Frankfurt a.M, 04.03.2014  

Sehr geehrte Exzellenz,  

wir wenden uns an Sie in der Sache Dogu Perincek gegen die Schweiz wegen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2013 unter dem Aktenzeichen 27510/08.  

In dem Verfahren vertrat der EGMR erstinstanzlich die Auffassung, dass der Rassismusartikel unter Art. 261bis Absatz 4 des schweizerischen Strafgesetzbuches gegen Artikel 10 der Europ. Menschenrechtskonvention verstieße.  Hintergrund des Urteils ist, dass Herr Dogu Perincek als türkischer Vorsitzender der radikalen „Arbeiterpartei“ der Türkei in der Schweiz den Völkermord an den Armeniern
in der osmanischen Türkei in den Jahren 1915/16 geleugnet und als „internationale Lüge“ bezeichnet hatte. Perincek wurde von einem Schweizer Gericht zu Recht wegen Aufstachelung zum Rassenhass verurteilt. Hiergegen wendete sich Perincek und legte das Schweizer Urteil dem EGMR vor, woraufhin dieser zwei skandalöse Feststellungen traf:

Zum einen nämlich, dass der Völkermord an den Armeniern nicht belegt sei und zum anderen dass er geleugnet werden dürfe. Die Leugnung des armenischen Völkermordes sei im Gegensatz zur Holocaustleugnung von der Meinungsfreiheit gedeckt.  

Pointiert formuliert: Den einen Völkermord darf man also leugnen, den anderen nicht.
 

Das Gericht bewertet damit einen vergleichbaren Sachverhalt, nämlich den Umstand zweier Völkermorde im 1. und 2. Weltkrieg, völlig unterschiedlich, obwohl hierzu nicht im geringsten Anlass besteht.    
Die Entscheidung des EGMR ist offenkundig falsch.
Bereits im Grundsatz ist es fehlerhaft, wenn der EGMR annimmt, der Völkermord an den Armeniern sei nicht bewiesen. Die Tatsachengrundlage für die Bewertung des Völkermordes ist bereits von Historikern umfänglich aufgearbeitet worden. Diese bieten die Anknüpfungstatsachen für die gezielte Vernichtung der armenischen Volksgruppe durch den türkischen Staat.    


Sofern der EGMR die Faktizität des Genozids an den Armeniern von der politisch geprägten Einschätzung anderer Staaten abhängig machen will, so ist auch dies grundfalsch. Das Vorliegen eines Genozids bemisst sich allein nach der objektiven Völkerrechtslage und nicht nach der politischen Anerkennung. Es ist sehr bemerkenswert, dass der EGMR seine eigene Entscheidungskompotenz in dieser Frage nicht wahrgenommen hat. 


Die völkerrechtliche Bewertung der Geschehnisse ist und wird zudem weiterhin unter Völkerrechtlern, Völkerstrafrechtlern, sowie Genozidforschern unstreitig als erster Genozid des 20.Jahrhunderts bewertet (Anlage).  


Die Schweiz ist in jeglicher Hinsicht ein Vorbild in Fragen der Menschenrechte und der Gewährleistung bürgerlicher Freiheiten. Die Leugnung und Verhöhnung von Opfern und ihrer Nachkommen, die einen Genozid erfahren haben, stellt einen unmittelbaren Angriff auf das Andenken der Opfer und die Ehre ihrer Nachkommen dar. Die Leugnung zielt darauf ab, die Motive und Absichten der Täter zu legitimieren und die Feindbilder und Propaganda gegen die Opfer neu zu begründen, die seinerzeit ihre Vernichtung vorbereitet haben. Die Leugnung zielt darauf ab die betroffene Volksgruppen zu verunglimpfen und zum Hass aufzustacheln. 


Insoweit ist die Schweiz mit ihrem Rassismusgesetz auch ein Vorbild, wenn es darum geht, die Menschenrechte und die bürgerlichen Freiheiten zu verteidigen.Gegen das gegenständliche Urteil des EGMR kann noch bis zum 21.03.2014 Berufung eingelegt werden. Bisher hat die Schweiz das Urteil nicht angefochten.

Wir hoffen sehr, dass dies noch erfolgen wird. Wir bitten Sie unser vorliegendes Schreiben den in der Sache befassten nach der verfassungsmäßigen Ordnung der Schweiz zuständigen Organ vorzulegen. 


Mit freundlichen Grüßen 

Dr. Nazareth Agheguian                               Madlen Vartian  
Vorsitzender                                                        Stellv. Vorsitzende


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