Samstag, 29. März 2014

Adem Dolas: Die Kinder Kessabs

Kesab general view in 2010, Syria. Autor: Spetsnaz1991
Kessab, dessen Name sich vom Römischen Casa Bella ,,schönes Haus“ ableitet, ist eine Kleinstadt im Gouvernement Latakia im Nordwesten Syriens. Es hat ca. 3000 hauptsächlich armenische Einwohner mit einer alawitischen Minderheit. Seine Besiedlung reicht bis zu Zeiten des Königreichs Kleinarmenien in Kilikien (1080-1375) zurück. Die Einwohner der Stadt waren vom Völkermord an Armeniern von 1915 mitbetroffen; die Überlebenden hatten sich jedoch Anfang der 1920er Jahre in der bergigen Region wieder angesiedelt. Mit seiner mittleren Höhenlage und dichten Kiefernwäldern war Kessab bis dato sommerlicher Erfrischungsort für Syrer wie Touristen.

Seit 21. März 2014 wurde Kessab durch islamistische Rebellen der Al-Nusra Front heftig angegriffen und mittlerweile eingenommen. Nach neuen Berichten wurden Häuser und Geschäfte geplündert, drei Kirchen der Stadt geschändet, einige Familien als Geiseln genommen. 80 Menschen seien nach unbestätigten Berichten zufolge getötet worden, die meisten Familien flohen in einer Nacht und Nebelaktion an die syrische Hafenstadt Latakia. Ersten Berichten zufolge seien zwei armenische Familien zwangskonvertiert worden.

Die aktuellen Ereignisse passen in das Gesamtbild im Umgang islamistischer Rebellen mit Nicht-Muslimischen Minderheiten Syriens. So hatte die Jihadistengruppe Islamischer Staat in Irak und Syrien (ISIS) bereits letzten Monat in der Nordsyrischen Provinz Rakka christlichen den Einwohnern einen ,,Schutzvertrag“ diktiert, wonach sie ihren Glauben nicht öffentlich ausleben durften und der ,,Dschizja“ unterworden wurden. Die rechtliche und soziale Lage der Christen in islamischen Ländern, unter Dhimmitum sublimiert, kommt nunmehr auch in anderen Teilen des einst säkularen Syriens zur Anwendung. Zwangskonversionen widersprechen zwar seiner formellen Rechtsprechung, waren und sind jedoch durch die gesamte Geschichte in islamischen Ländern belegt.

Nun, welche Antwort kann man auf den islamistischen Jihad geben? Die Antwort kann nur komplex sein und wird viele Differenzierungen notwendig machen. Ein erster Schritt ist es, wenn man das Problem beim Namen nennt. In der Vergangenheit wurden solche Ereignisse – übrigens durch die gesamte Geschichte über Jahrhunderte hindurch – erst unter den Tisch gekehrt, bei konsequenter Benennung als Einzelfall heruntergespielt, und später ihre Bedeutung im gesamten Kontext verneint. Von einer auf die Herausforderung des islamischen Jihad adäquaten Antwort sind wir, Angehörige und Nutznießer der freien Welt, weit entfernt. Eine erfolgreiche Therapie kann jedoch nur erfolgen, wenn die Diagnose eines Problems richtig gestellt wird. Wir sollten das Kind beim Namen nennen. Die Kinder Kessabs und viele weitere werden es uns danken.


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