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Mittwoch, 2. Juli 2014
Gedenken der Opfer des Pogroms von Sivas
Anlässlich des 21. Jahrestages des djihadistischen Massenmordes in Sivas am 2. Juli 1993 weist die Alevitische Gemeinde Deutschland darauf hin, dass eine Reihe der Beteiligten an dieser Bluttat, denen die Flucht nach Deutschland gelang, bis heute weder in Deutschland noch in der Türkei belangt worden sind:
"Im Jahr 1993 trafen sich in Sivas Hunderte Menschen zu einem Kulturfestival zu Ehren des alevitischen Dichters Pir Sultan Abdal. Gemeinsam wollten sie ihren geschätzten Dichter feiern und sich seiner Werke erfreuen, doch der Tag endete für sie in Trauer und Entsetzen.
Während drinnen im Madımak Hotel Kulturbegeisterte und -schaffende, vorwiegend alevitischen Glaubens, friedlich feierten, versammelte sich vor dem Hotel eine religiös und politisch aufgewiegelte Menschenmenge. Bewaffnet mit Brandsätzen griffen sie das Hotel an. In dem aus Holz gebauten Gebäude breiteten sich die Flammen schnell aus. 33 Teilnehmende des Kultufestivals starben in dem Feuer ebenso wie zwei Angestellte des Hotels und zwei Täter.
Viele konnten das brennende Hotel nicht verlassen, weil der wütende Mob rings um das Hotel ihnen den Weg versperrte. Obwohl Polizei, Militär und Feuerwehr frühzeitig alarmiert worden waren, griffen sie erst nach rund acht Stunden ein. Das türkische Staatsfernsehen berichtete gleichzeitig stundenlang live vom Ort des Geschehens und zeigte vor laufender Kamera, wie Polizisten der wütenden Menschenmenge vor dem Hotel noch halfen und eine anrückende Militäreinheit sich wieder zurückzog.
Als Alevitische Gemeinde Deutschland gedenken wir dieser grauenvollen Tat und der vielen Opfer. Unsere Gedanken sind auch bei den Hinterbliebenen, die bis heute vergebens auf Gerechtigkeit und Anerkennung ihres Leids hoffen.
Die Strafverfahren gegen die Täter und Drahtzieher hinter dem Massaker zogen sich erst über Jahrzehnte hin, dann wurde im März 2012 – am 27. Verhandlungstag des seit 19 Jahren andauernden Verfahrens – das Verfahren gegen fünf Flüchtlinge (und zwei Tote) wegen Verjährung eingestellt. Gegen drei weitere Flüchtlinge läuft das Verfahren noch.
Obwohl in dieser Zeit bereits zahlreiche Personen wegen schwerer Brandstiftung, Massenmord und dem Versuch des Umsturzes des Staatssystems rechtskräftig verurteilt wurden, gelang einigen von ihnen noch in den 1990er Jahren die Flucht, u.a. nach Deutschland. Dort leben sie bis heute unbehelligt, teils als Illegale, teils als Familiennachzügler oder anerkannte Asylbewerber. Einem Täter wurde sogar die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen. Somit betrifft das Sivas-Ereignis auch Deutschland.
Während die Hinterbliebenen der Opfer zum Teil Tag für Tag mit ihrer heutigen Armut zu kämpfen haben, weil ihnen 1993 der Ernährer ihrer Familie genommen wurde, leben einige der Täter mittlerweile gut situiert im europäischen Exil.
Als Alevitische Gemeinde Deutschland wenden wir uns gegen das Vergessen und gegen die Relativierung und Verharmlosung von (staatlichen) Gewaltverbrechen.
Wir fordern daher die offizielle Anerkennung der Leiden der Opfer so vieler Pogrome und Ausschreitungen gegen Aleviten in der Türkei und die konsequente Verfolgung und Verurteilung der Täter. In Gedenken an die vielen Toten vom 2. Juli 1993 sollte das Madımak Hotel in Sivas in ein Museum und eine Gedenkstätte umgewandelt werden."
Auch Aleviten müssen die unbestrittene Tatsache einsehen und anerkennen, dass der Brandanschlag von Sivas auf das Madimak-Hotel eine perfide Verschwörung des sog. Tiefen Staates (Derin Devlet) war mit dem Ziel, Aleviten und Sunniten einmal mehr gegeneinander aufzuhetzen. Es ist nämlich kein Zufall, dass nur drei Tage später im sunnitischen Dorf Basbaglar in der Provinz Erzincan ein Massaker verübt wurde, bei dem exakt 33 Menschen ermordet wurden. Das macht die Masse von tausenden ahnungslosen nützlichen Idioten, welche vor dem brennenden Hotel klatschten und in die Falle des Tiefen Staates getappt sind, zwar nicht unschuldig, aber dafür zeigt es die wahren Drahtzieher dieses perfiden Anschlags. Zuvor haben Handlanger des Tiefen Staats Hetzschriften in den Moscheen verteilt, um die Menschen gegen die angehenden Opfer aufzubringen, was leider auch erfolgt ist. Somit hatten die Verschwörer und ihre Handlanger auf der öffentlichen Bühne einmal mehr ein gefundenes Fressen, um gläubige Menschen einmal mehr zu diskreditieren. Die Verschwörer wissen nämlich genau, wie man in der Türkei eine Gruppe von Menschen gegen eine andere Gruppe aufbringen kann. Wenn wir uns mit dem Sivas-Massaker beschäftigen, müssen wir das alles mitberücksichtigen, um Klarheit zu haben.
AntwortenLöschenErst, wenn die o.g. Einsicht einkehrt, können gegenseitiges Misstrauen überwunden und Versöhnung langfristig geschlossen werden. Wenn diese Einsicht jedoch fehlt und nach wie vor eine Wir-Opfer-die-Täter-Haltung eingenommen wird, spielt man damit den Verschwörern nur weiter in die Hände. Und das ist weder im Interesse der Aleviten, noch im Interesse der Sunniten.
Wer unter Google "sivas madimak özel harp dairesi" oder "sivas madimak ergenekon" eingibt, der weiß auch, wovon ich hier spreche.