Samstag, 9. August 2014

Mazlum Dogan: Völkermord in Kurdistan: Es ist 5 vor 12!


Die Lage der ezidischen und christlichen Minderheit im Irak verschlimmert sich zunehmend. Die radikalislamische Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) macht jagt auf Andersgläubige. In Mosul, der zweitgrößten Stadt des Iraks, leben inzwischen keine Christen mehr. Sie wurden entweder vertrieben oder brutal ermordet. Im ezidischen Sindschar (Shengal) im Norden des Landes sind rund 200.000 Eziden nach UN-Angaben auf der Flucht. Zehntausende von ihnen haben Zuflucht auf den Sindschar-Gebirgen gefunden. Doch es fehlt ihnen an Essen, Wasser und Medizin. Unter den Flüchtlingen befinden sich 25.000 Kinder, schätzt das UN-Hilfswerk UNICEF. Sie sind der glühenden Sommerhitze ausgeliefert. Die ersten Kinder sind bereits verdurstet. 


Ortswechsel. Srebrenica… Ein Ort mit einer Leidensgeschichte, die von der Vergangenheit in die Gegenwart andauert. Wir assoziieren den Namen der Stadt im Osten Bosniens mit dem Massenmord im Jahre 1995 an einer bestimmten Gruppe von Menschen. Und noch heute fragen wir uns: Hätten wir dieses Verbrechen, diesen Völkermord verhindern können? Und falls ja, wie?

Der Massenmord an den muslimischen Bosniaken ist von seiner juristischen Tragweite her noch hoch aktuell. Im Verfahren um den Völkermord von Srebrenica hat ein niederländisches Gericht die Niederlande für den Tod von mehr als 300 muslimischen Männern und Jungen zivilrechtlich mitverantwortlich gemacht. Niederländische Blauhelmsoldaten waren in Bosnien zum Schutze der Bevölkerung stationiert. Doch sie boten weder Schutz noch verteidigten sie irgendwen. Sie sahen zu. Selbst beim Abtransport der Opfer. Obwohl der Massenmord vorherzusehen war. Hierhin liegt ihre Mitschuld. In Srebrenica wurden rund 8.000 Menschen von serbischen Einheiten ermordet. 

Der Ruf nach aktivem militärischem Beistand müsste folglich im Lichte dieser Ereignisse legitimer denn je sein. Insbesondere dann, wenn man Opfer und Täter klar voneinander trennen. Bluthungrige Mörder sind eben nicht mit guten Worten aufzuhalten.

Zurück nach Kurdistan. Hier kämpfen inzwischen die Peschmerga-Armee der kurdischen Autonomieregion und kurdische Milizen aus der Türkei und Syrien Seit‘ an Seit‘ gegen die mordenden Dschihadisten. Einige Stellungen konnten sie zurückerobern, jedoch befindet sich der Terrortrupp mit islamischen Bannern und hochmodernen Waffen auf dem Vormarsch in Richtung Erbil, die Hauptstadt Kurdistans. Der islamische Faschismus hat in seiner Brutalität eine neue, für uns wohl unvorstellbare Dimension angenommen. Sie zwingen zur Konversion zum Islam oder köpfen. Der Ruf der Eziden und Christen nach ausländischer Hilfe wird immer größer. 

Rüstet die Kurden endlich gegen die Dschihadisten auf!

Die kurdische Autonomieregion bat bereits mehrfach die USA um modernere Waffen. Washington lehnte ab. Gleichwohl genehmigte der US-Präsident Obama Luftangriffe gegen IS-Stellungen. Kurzfristig mag das den kurdischen Kämpfern helfen, jedoch müssen sie erfolgreiche Bodenoffensiven fahren, um ihre Städte zurückerobern. Es mangelt an Waffen. Der Vorschlag einer diplomatischen Lösung, wie er vor kurzem aus Berlin kam, ist vor diesem Hintergrund lächerlich, denn krankhafte Gotteskrieger lassen nicht mit sich reden. Rüstet die Kurden endlich gegen die Dschihadisten auf!

Im Nahen Osten gibt es nicht mehr viele Partner für den Westen, mit denen Demokratisierungsbestrebungen in der Region verwirklichbar sein werden. Es ist geradezu zynisch, die Saudis und ihren Scharia-Staat bisher mit hochmoderner deutscher Waffentechnologie ausgerüstet zu haben und die Kurden bei einem drohenden Völkermord zu vertrösten. 

Kopfschütteln bleibt einem auch nur, wenn sich jetzt die Moralapostel aus ihren Fenstern lehnen und eine Aufrüstung der Kurden aus blinden Pazifismus-Prinzipien heraus verteufeln. Mit den IS-Terroristen ist nicht gut Kirschen essen, liebe Friedensexperten. Ein Völkermord von noch größerem Ausmaß an den Eziden und orientalischen Christen kann nur verhindert werden, wenn die Kurden erfolgreiche militärische Gegenschläge verzeichnen können.

Gleichwohl müssen parallel die Türkei und die Golfstaaten international unter Druck gesetzt werden, damit keine weitere Unterstützung des IS erfolgt. Denn während die Türkei den Dschihadisten in türkischen Krankenhäusern eine blendende gesundheitliche Versorgung bietet, finanzieren die Golfstaaten ihre hochmodernen Waffen. Wird dies in Zukunft nicht verhindert, wird auch der IS nicht ruhen. 

Die Doppelmoral der islamischen Verbände

Vor wenigen Tagen und Wochen versammelten sich hunderte Menschen in den deutschen Großstädten, um gegen den Staat Israel zu protestieren. Vielerorts kam es zu antisemitischen Gewaltexzessen. Synagogen mussten polizeilich bewacht werden. Es demonstrierten einige Gruppen unkritischer Linker, fundamentalistische und gemäßigte Muslime, Rechtsradikale und Israelhasser auf demselben Fleck. Dies sollte friedlichen Demonstrationen von Demokraten, die die israelische Politik öffentlich kritisieren wollen, nicht die Legitimation entziehen, ihr Demonstrationsrecht wahrzunehmen. Gleichwohl war an vielen Orten die antisemitische Orgie nicht zu übersehen. 

Die hiesigen islamischen Verbände schrien während des Palästina-Konflikts ebenfalls auf. Doch hinterfragt man, inwieweit sich diese Verbände mit den zu tausenden massakrierten orientalischen Christen, Eziden und Alawiten solidarisierten, stellt man schnell eine Doppelmoral sondergleichen fest. Es werden Jahrhunderte alte Kirchen und ezidische Heiligtümer gesprengt, tausende Christen und Eziden öffentlich enthauptet und die, die auf der Flucht sind, verdursten oder verhungern. Ein öffentliches Aufschreien gab es hierzu leider nicht. Stattdessen fahren die Ewiggestrigen die Kassette der einseitigen Israelschuldzuweisung ab. Solidarität unter Glaubensgeschwistern nennt man das.


Mazlum Dogan ist Bundesvorsitzender des Bundes der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland e.V. (BDAJ). Er studiert Jura an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

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