Teil 1: Frankreich
Am 7. Januar wurden in der französischen Hauptstadt durch ein Attentat auf die Redaktion der Satire-Wochenzeitschrift Charlie Hebdo elf Menschen ermordet; unter den Ermordeten befanden sich acht Charlie Hebdo-Redaktionsmitglieder und ein Polizist. Als Attentäter ermittelte die Polizei sehr rasch die Brüder Chérif und Saïd Kouachi, zwei Franzosen algerischer Herkunft, die bereits in den vergangenen Jahren auch international als djihadistische Extremisten und Gesetzesbrecher aufgefallen waren: Saïd ließ sich im Jemen als Rekruten von Al-Qaida ausbilden. Gemeinsam mit seinem Bruder Chérif war er bereits 2008 von der französischen Polizei festgenommen worden; gegen Chérif wurde ein Prozess geführt. Im Schengen-Raum waren die beiden zur verdeckten Beobachtung ausgeschrieben, zudem standen sie auf der„No-Fly-List“ der Vereinigten Staaten.
Zwei Tage nach dem Mordanschlag auf die Charlie-Hebdo-Redaktion nahm dann der djihadistische „Waffenbruder“ der Attentäter, Amedy Coulaby in einem jüdischen Supermarkt im Osten von Paris Geiseln, von denen er vier – alle jüdische Franzosen – ermordete. Am selben Tag, dem 9. Januar, wurden im Rahmen zweier zeitgleicher Polizeieinsätze sowohl der Geiselmörder Coulaby als auch die Brüder Kouachi getötet.
„Je suis Charlie“
Die staatsoffiziellen ebenso wie die 'zivilgesellschaftlichen' Reaktionen auf den terroristischen Anschlag auf Charlie Hebdo waren zunächst dazu geeignet, ein Schlaglicht zu werfen auf die Vitalität des Selbstverständnisses Frankreichs als einer laizistischen Republik – eines politischen Gemeinwesens, das sich der Herausforderungen des säkularen demokratischen Verfassungsstaates im Spannungsfeld zwischen einem religiös „legitimierten“ Extremismus und Terrorismus islamistisch-djihadistischer Provenienz, einer „kommunitaristischen“ Abkapselung religiös-kultureller Minderheiten und einer ethnozentristischen Regression in der französischen 'Mehrheitsgesellschaft' bewusst ist. Dies führten nicht zuletzt die Demonstrationen vor Augen, in deren Rahmen rund vier Millionen Franzosen in Paris und anderen Städten sich zur Unverletzlichkeit der „Freiheit der Presse“, der „freien Meinungsäußerung“ bekannten und Solidarität mit der angegriffenen Redaktion bekundeten. Mit Blick auf diese demokratisch-republikanischen Manifestationen bemerkte die Neue Zürcher Zeitung am 11. Januar: „Frankreich demonstriert Selbstbewusstsein wie schon lange nicht mehr. Die Grundstimmung der letzten Jahre war eher von Selbstzweifeln und Zerknirschung geprägt. Doch jetzt haben riesige Volksmengen, wohl über eine Million Menschen, am 'republikanischen Marsch' in Paris und an Kundgebungen in vielen Provinzstädten Bürgersinn und grimmige Entschlossenheit gezeigt. Sie gedachten der 17 Todesopfer der jüngsten Terrorakte, sie wandten sich gegen Denk- und Redeverbote, gegen Judenhass und Islamophobie. 'Wir lassen uns die Freiheit nicht nehmen, wir lassen uns von ein paar Terroristen nicht einschüchtern', war ihre Botschaft. Diese Haltung strahlt weit über Frankreich hinaus.“
Paris als „capitale mondiale de l'antiterrorisme“
Auf der anderen Seite musste jedoch die Frivolität ins Auge stechen, mit der die Staatsspitze der französischen Republik den „republikanischen Marsch“ in Paris in ihre außenpolitische Agenda einbettete. An der Großdemonstration in Paris nahmen – wenigstens für einige Minuten – rund 50 Staats- und Regierungschefs teil. An der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich Frankreichs Staatsoberhaupt François Hollande gemeinsam mit einer Reihe befreundeter arabischer und afrikanischer Staatsführer, die – wie die NZZ extrem zurückhaltend formulierte – „nicht als grosse Demokraten gelten“. Neben Repräsentanten von EU und Nato war auf dem „republikanischen Marsch“ mit der Arabischen Liga ein Staatenbündnis vertreten, deren Politik wesentlich von islamistischen Mordregimen und Terrorexporteuren bestimmt wird. (Nota bene: 2011 wurde Syrien, dessen säkulares Regime sich in einem blutigen Konflikt mit djihadistischen Insurgenten befindet, aus der Liga ausgeschlossen, niemals jedoch offen als Gönner djihadistischer Terrorbanden auftretende islamistische Mächte wie Saudi-Arabien oder Katar.) Auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko war zugegen, selbstverständlich ohne befürchten zu müssen, von seinen französischen Gastgebern zur Rede gestellt zu werden etwa mit Blick auf die – durch die Kiewer Regierungsbehörden zumindest wohlwollend geduldeten – fortlaufenden gewalttätigen Angriffe auf unbotmäßige Journalisten und als „prorussisch“ attackierte Medien in der Ukraine – und in diesem Kontext zum Beispiel an das Schicksal des im August 2014 in der Ostukraine ermordeten Fotokorrespondenten der Nachrichtenagentur Rossiya Segodnya, Andrej Stenin, erinnert zu werden.** Demgegenüber wurde in israelischen Medien darüber berichtet, dass Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu der französischen Regierung als Teilnehmer am „republikanischen Marsch“ unwillkommen sei. In Reaktion auf die Ankündigung des israelischen Regierungschefs, an der Demonstration teilzunehmen, sei seitens des französischen Präsidialamts Palästinenser„präsident“ Mahmud Abbas eingeladen worden. Somit konnte, nur wenige Stunden nach der Ermordung von vier jüdisch-französischen Geiseln durch einen djihadistischen Terroristen, ein erklärter Sympathisant des Judenmordes*** auf Einladung der französischen Regierung an der von Präsident Hollande und Ministerpräsident Valls inszenierten recht eigenwilligen Demonstration eines antiterroristischen Konsenses mitwirken.
Eines der überlebenden Redaktionsmitglieder, Renald Luzier („Luz“), geißelte die – außen- wie innenpolitische – Instrumentalisierung des Attentats durch die französische Staatsspitze mit den Worten: „Dieser Unanimismus hilft Hollande, die Nation zusammenzuschweißen. Er nützt Marine Le Pen, um die Wiedereinführung der Todesstrafe zu fordern. (…) Was die Kundgebungen betrifft: Dort hat man die Marseillaise gesungen – wir sprechen hier aber über das Gedenken an meine Kollegen Charb, Tignous, Cabu, Honoré und Wolinski – die hätten auf diese Art von Solidarität geschissen.“ In Anbetracht des Konformismus, der sich in dem wohlfeilen Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie, unter Abstrahierung von den strukturellen Bedingungen – und Grenzen – der Geltendmachung „republikanischer“ Normen und Prinzipien, auslebte und nicht zuletzt in der emsigen Verdächtigung politisch Andersdenkender, nicht „Charlie“ zu sein und somit außerhalb einer republikanischen Wertegemeinschaft zu stehen, seinen Ausdruck fand, gibt der französische Publizist Pierre Lévy zu bedenken:
„... Psychologische Behandlungen wurden Minderjährigen auferlegt, die sich geweigert hatten, an einer Schweigeminute für die Opfer der Pariser Anschläge teilzunehmen. Kommunalangestellte wurden, wie in Lille, bestraft, weil sie nicht an dieser kollektiven Schweigeminute teilgenommen und das auch begründet hatten.
Aber was ist eine per Dekret festgelegte Besinnung wert? Wird morgen die einfache Tatsache verdächtig und auch strafbar, die Gründe des Dramas verstehen zu wollen? Genau das hat zweifellos der belgische Europaabgeordnete Guy Verhofstadt begrüßt, als er jubelte: 'Zum ersten Mal wurde ein Europa der Werte geboren!' Doch der Siegerkranz gebührt gewiss Nathalie Saint-Cricq, Chefin der politischen Abteilung von France2. Am 13. Januar rief sie gerissen aus, indem sie mit den Fingern auf diejenigen zeigte, die 'nicht Charlie sind': 'Sie sind es, die wir ausfindig machen und behandeln müssen.' Gewissermaßen im Namen der Meinungsfreiheit. Orwell ist nicht mehr weit.“
An diesem Tag, so Lévy, seien „Charb, Cabu, Wolinski und die anderen Karikaturisten ermordet worden – zum zweiten Mal“.
(Fortsetzung folgt.)
Daniel Leon Schikora
* Erstveröffentlichung in: Gerd Otto, Wolfgang Otto (Hrsg.): Auf dem Weg nach Europa. Die Fördergesellschaft für Europäische Kommunikation (FEK) e. V. und die Neudrossenfelder Europatage im Porträt (= FEK-Jahrbuch 2015). Regensburg 2015, 20f.
** Wie die Justizbehörden der von Poroschenko repräsentierten Ukraine mit den bürgerlichen Freiheiten von Publizisten verfahren, die öffentlichkeitswirksam dazu aufrufen, sich der Beteiligung an der brutalen Unterdrückung der russophonen Bevölkerungsteile des Südostens des Landes zu verweigern, führte nunmehr (Anfang Februar) auch die Inhaftierung des westukrainischen Fernsehjournalisten Ruslan Kuzaba durch den ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU vor Augen. Kuzaba, der am 19. Januar in einem YouTube-Video leidenschaftlich gegen den „Bruderkrieg“ plädiert und dazu aufgerufen hatte, sich der Mobilisierung, von denen Zehntausende von Reservisten betroffen sind, zu verweigern, wird seitens des Geheimdienstes Hochverrat und Spionage vorgeworfen.
*** „Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hat den Hinterbliebenen des Attentäters von Rabbi Jehuda Glick kondoliert. Mutas Hidschasi werde als Märtyrer in den Himmel eingehen, schrieb Abbas in einem Brief. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu übte scharfe Kritik.
Laut der Onlinezeitung 'Times of Israel' schrieb Abbas an Hidschasis Familie: 'Mit Wut haben wir die Nachricht von dem Mordverbrechen vernommen, begangen durch die Terroristen der israelischen Besatzungsarmee, gegen den Sohn Mutas Ibrahim Chalil Hidschasi, welcher als Märtyrer, der die Rechte unseres Volkes und seiner heiligen Stätten verteidigt hat, in den Himmel eingeht.' (…) Israels Außenminister Avigdor Lieberman schrieb auf seiner Facebook-Seite, Abbas‘ Brief 'beweist mehr als alles andere, dass Abu Masen in der Tat ein Partner ist: ein Partner für Terror, ein Partner für Terroristen, ein Partner von Mördern'. Mit dem Schreiben unterstütze Abbas offen den Terror und ermutige dadurch zu weiteren Morden, so Lieberman.“ (israelnetz.com, 3.11.2014)
Sehr gut!
AntwortenLöschendatenräume
AntwortenLöschenAs the crowd swelled, word spread that our community was too large for an organized march. Everyone decided otherwise, and this community the size of a midwestern city began marching towards the White House, spilling in from all different directions. We chanted “This is what democracy looks like” and meant it and felt it. We joined the chorus of "Black Lives Matter" and tears came to our eyes when our daughters chanted "My Body, My Choice" with other young women, while the adults and men responded, "Her body, her choice." There was no violence, no bad behavior. Everybody was united and peaceful, and through that we were powerful.
My friend and I plus our daughters made it as close as two blocks away from the White House when the crowd began filtering back. So we slipped away to a less crowded street, and slowly made our way to Union Station, full of hope. I’d never experienced anything like it. Yet, I believe this is just the beginning. If we continue to be vigilant, if we stick together as a community, that hope we all felt will remain. I see from this experience that we all need to do more than we did in this past election. We have to be active, interested, and fully awak